Im Internet sind Spitzenpreise keine Seltenheit – doch was taugen die Billigangebote wirklich? Kann ein Anlasser für 25€ funktionieren? Wir bringen Licht ins Dunkle!

In den vergangenen Jahren hat sich das Internet zu einem der maßgeblichen Umschlagplätze für günstige Ersatzteile entwickelt. Nur logisch, dass auch Kunden immer häufiger zu hohe Ersatzteilpreise auf der Rechnung beanstanden oder ihre Teile gleich selbst anliefern wollen. Die Bandbreite der angebotenen Waren und Qualitäten ist groß – vom namhaften Markenteil vom OE-Hersteller bis zum Noname-Ersatzteil für wenige Euro ist alles dabei. Doch wie steht es um die Qualität der Teile? In dieser ersten Folge unserer Serie zum Teilemarkt im Netz haben wir uns daher dem Bauteil gewidmet, das den Verbrennungsmotor erst in Fahrt bringt: dem Anlasser. 

Auf der Suche nach Ersatzteilen stolperten wir in der Redaktion über ein doch besonderes Angebot: Ein Anlasser für einen Golf, der inklusive Versand gerade einmal 25€ kosten sollten – neu versteht sich, nicht gebraucht. So ermutigt klickten wir uns durch die Angebote und kauften sechs Anlasser zu äußert günstigen Konditionen, um diese mit den in der Regel meistverbauten Original-Pendants von SEG Automotive (ehemals Bosch) oder Valeo zu vergleichen.

Kurz nach der Bestellung trudeln die ersten Anlasser ein – Zeit sich einen ersten Eindruck zu machen. So unterschiedlich die Anbieter heißen, so fallen auch ihre Produkte aus. Auf den allersten Blick haben wir erhalten was wir bestellt haben: Auch der Anlasser für 25€ ist angekommen und bestätigt seine Funktion beim Anlegen von 12V mit kurzem Zucken und Anlaufen – nun geht es an die Details.

Der erste Eindruck

Macken in der Planfläche können dafür sorgen, dass sich die Verschraubung des Anlassers lösen kann

Schon bei näherem Hinsehen fällt die relativ grobe Gussqualität auf, die bei den Anlassern zu sehen ist – dies ist aber nicht zwangsläufig ein Mangel. Ein Produkt jedoch, das wir als Neuware gekauft haben, entpuppt sich als aufgearbeiteter Bosch-Anlasser – von dessen Aufarbeitungsqualitäten wir uns später noch überzeugen sollten. Ansonsten gibt es hier und da kleinere und größere Schrammen und Macken, teils auch in der plangedrehten Zentrierfläche – unschön. Auch sind teilweise die Bohrungen der Befestigungsbolzen sehr nahe am Grund des filigranen Gussteils eingebracht – wer hier die Schraube bis ultimo festzieht, kann mit einem gebrochenen Zentriergehäuse rechnen. Ansonsten wirkend die Anlasser jedoch funktionsfähig und „starten“ im Trockentest auf der Werkbank auch alle.

Verarbeitung Gussglocke

Die Anlasserglocke, wie sie bei den meisten Anlassern vorhanden ist, übernimmt gleich mehrere Funktionen. Zum einen dient sie der korrekten Zentrierung des Anlassers zum Zahnkranz des Schwungrads, zum anderen ist sie tragender Teil des Startermotors, beherbergt die Wippe des Einrückmechanismus, nimmt das Starterrelais auf und dient zumeist noch als Widerlager für das Starterritzel – eine anspruchsvolle Aufgabe für ein so unscheinbares Bauteil. Bei den von uns überprüften Anlassern stellten wir an diesem Bauteil erhebliche Abweichungen vom vergleichbaren OE-Teil ab. Durch die Bank besaßen die Gussteile eine gröbere Oberfläche, was auf einen nicht ganz so idealen Fertigungsprozess beim Druckguss schließen lässt – per se aber kein KO-Kriterium, zunächst nur eine Feststellung. Ein Anlasser, der unter der Eigenmarke eines Händlers vertrieben wurde, war mit einer gebrauchten Anlasserglocke eines anderen Anlassermodels ausgestattet worden – der Markt ist sehr erfinderisch um Geld zu sparen. Auch erweckten viele Teile den Eindruck, nicht spezifisch nur für ein Modell gemacht zu sein, sondern gleich mehrere Anwendungen mit dem gleichen Gussteil abzudecken, welche sich nur in der finalen Bearbeitung unterscheiden – so sind Aussparungen und Verstärkungen an Stellen vorhanden, wo diese vom Original abweichen und augenscheinlich keine Funktion erfüllen, andere Bereiche wie das Gehäuse des Einrückhebels sind jedoch so groß gewählt, dass auch unterschiedliche Varianten hier Platz finden würden –Fertigungsoptimierung wie sie im Buche steht. Manche Dinge stellten jedoch nicht nur einen optische Mangel oder eine Zusammenfassung mehrerer Modelle dar: So fanden wir bei einem Modell deutlich zu große Bohrungen für die Befestigungsschrauben, Bohrungen die viel zu nah am Rande des Gehäuses angebracht waren, sowie zu kleine Zentrierungen für die Kupplungsglocke oder Macken in den plangedrehten Flanschflächen – solche Dinge können zu mangelhafter Zentrierung führen, genau wie Schrauben die sich durch Vibrationen im Betrieb lösen und allgemein erschwerter Montage – hier hat der Spaß ein Ende.

Elektrik

Schlechte Lötverbindung und durchgeführte Adern. Bei Billigteilen wird noch viel Hand angelegt.

Bei der für einen elektrischen Anlasser funktionswichtigen Elektrik fanden wir die meisten Abweichungen und Probleme. Beinahe bei allen Modellen wurden die mittlerweile aus Stahl gefertigten Anschlussschrauben durch solche aus Kupfer ersetzt. Eigentlich paradox, kosten Kupferschrauben doch deutlich mehr als solche aus Stahl. In der Praxis ergibt sich hieraus jedoch höchstens ein Komfortproblem, da die Schraube nicht so viel Drehmoment verträgt wie der Stahlbolzen – dieser Unterschied sollte jedoch den allermeisten Mechanikern noch vor der Montage auffallen. Auffällig war auch die Verarbeitung der Litzen, die das Relais und den Startermotor verbinden. Diese waren oftmals schlecht verschweißt, die Litzen zu lang oder zu kurz gewählt was in der Folge zu schlechten Kontakten oder höheren Übergangswiderständen führt. Auch sind zu lange Litzen anfällig für Vibrationsschäden.

Vielfach wurden zudem die Kontakte im Relaisscheinbar noch händisch gelötet – überstehende Kupferadern zeugen davon. Aus Dichtheitsgründen hat man sich heute von derartiger Fertigungspraxis verabschiedet, hier wurde scheinbar noch nach alter Väter Sitte gearbeitet.

Der Startermotor

Der Anker ein Neuteil? Keineswegs – dieser Anker hat schon etliche Startvorgänge hinter sich

Besonders Interessant war der Fund im Inneren eines 2,8kW Anlassers, der für leichte Nutzfahrzeuge von Iveco gedacht ist. Hier wurde schlichtweg ein anderer, kleinerer Anker verbaut – dass ein solcher Anker nicht die volle Leistungen erbringen kann ist naheliegend – auf dem Prüfstand lieferte der Billiganlasser gerade einmal die Hälfte der vorgesehenen Leistung. Selbst bei Sommerwetter und mit frischen Glühkerzen wäre der Motor wahrscheinlich nur mit Ach und Krach angesprungen.

Wie schon bei den Litzen am Relais, zeigte sich auch beim Bürstenhalter, dass die Fertiger durch die Bank weg scheinbar Probleme mit dem Schweißprozess haben – auch hier war die Schweißverbindung der Litzen bei mehreren Modellen fraglich, sodass wir einen besonders schlecht anmutenden Bürstenhalter einem weiteren Versuch unterzogen – diese riss im Zugversuch beinahe sofort ab, während das Vergleichsteil der mehr als doppelten Kraft standhalten konnte. Eine solche Verbindung bietet im Betrieb weiteres Fehlerpotenzial für erhöhte Widerstände, mögliches Lösen der Litze durch Vibration und eingeschränkte Leitfähigkeit – nicht wirklich optimal für ein Teil, dessen Aufgabe die Weitergabe von hohen Strömen an den Kollektor ist. Auch die Motorgehäuse unterstrichen die bisherigen Vermutungen: Von schlechten Lackierungen bis hin zu Beulen sich die schon vor der Lackierung im Gehäuse befanden, war alles dabei. Während die Lackierung natürlich per se nur ein optischer Makel ist, stellen Eindellungen schon eine mögliche Beeinträchtigung dar, da der Rotor an den außenliegenden Permanentmagneten schleifen kann – ein abruptes Anhalten oder eine mechanische Blockade und damit die Zerstörung des Starters wäre die Folge.

Links das recht grob bearbeitete Starterritzel, links das OEM-Ritzel – schlechtes Einspurverhalten kann die Folge sein

Im Inneren fanden wir hingegen reichlich Späne, die sich an den Magneten gesammelt hatten – so genannten Flitterbildung – auch ein Anzeichen für Teile, die bereits ein erstes Leben hinter sich haben oder unsauber bearbeitet wurden. Verrostete Abschirmbleche zum Planentengetriebe sind nicht gerade schön, aber auch wieder nur ein eher optisches Problem. In den Planetengetrieben fanden wir teilweise pechschwarzes Schmierfett vor – kontaminiert mit Abrieb und Schmutz. Nicht gerade ideal, um einem hochbelasteten Zahnrad zu einer langen Lebensdauer zu verhelfen.  Auch zeigten sich bei einigen Modelle bereits Laufspuren an den Zähnen selbst, sodass wir auch hier von Teilen ausgehen müssen, die bereits im Einsatz gewesen sind – hier besteht das Risiko eines vorzeitige Ausfalls des Getriebes, eine ähnliche Lebensdauer wir ein neues, sauber abgeschmiertes Getriebe wird dieses Teil wohl kaum mehr erreichen können.

Das Starterritzel

Der letzte Blick galt den Starterritzeln. Für eine saubere Funktion müssen diese vorne eine Fase besitzen, die dem Zahnrad das Einspuren in den Starterkranz erleichtert. Diese Phase ist bei Neuteilen – die zumeist im Sinterverfahren hergestellt werden – glatt und in zwei Stufen ausgeführt (oder als gleichmäßige Rampe, je nach Modell). Bei den vorgefundenen Ritzeln wurde diese Phase recht grob nachbearbeitet: Die Riefen deuten auf einen nachträglichen Schliff oder eine recht grobe Bearbeitung des Zahnrades hin, die raue Oberfläche kann unter Umständen das Einspuren verschlechtern und oder zu höherem Geräusch führen – auch hier wieder kein KO-Kriterium, aber häufig ein Mangel von vielen.

Fazit – Billigteile gehören nicht in die Werkstatt

Wir haben bewusst sehr günstige Anlasser gekauft, die entsprechend günstig hergestellt oder aufbereitet wurden. Auch die Erwartung der verbleibenden Lebensdauer sollte daher im Vergleich zum Preis stehen – über optische Mängel wird ein Käufer eine 50€-Anlassers für sein 20 Jahre altes Auto gut hinwegsehen können. Was jedoch nicht geht, sind schiere Funktionsmängel oder eine schlampige Verarbeitung, die etwa Wassereinbrüche und damit den Funktionsausfall des Anlassers vorprogrammiert. Ein Starter, der nur die halbe Nennleistung bringt, kann noch so günstig sein – der Ärger mit dem Umtausch ist die Arbeitszeit kaum mehr wert. Wir baten Frau Thoelking, Ingenieurin beim OE Hersteller SEG Automotive, um ihre professionelle Einschätzung zum Ergebnis: „Es ist überraschend wie weit solche Anlasser zur Funktionsgrenze hin „optimiert“ sind – funktioniert haben die haben meisten ja – das Gesamtergebnis ist mit all den Mängeln jedoch z.T. beeindruckend bis erschreckend, wenn man sich überlegt wie hoch die Anforderungen an ein hochwertiges Neuteil sind.“ Wer als Werkstatt einen solchen Anlasser einbaut, tut damit weder sich, noch dem Kunden einen Gefallen. Natürlich klingt es verlockend, nur einen Bruchteil des Kaufpreises durch ein Schnäppchen aus dem Netz zu bezahlen. Die Leistungsfähigkeit und Funktion nach dem Austausch ist jedoch kaum besser als eines gebrauchten Anlassers unbekannten Zustandes von der Autoverwertung – nur das Äußere sieht ansprechender aus. Wenn man dann noch die Gewährleistung auf den Austausch hinzunimmt, ist es betriebswirtschaftlich Wahnsinn, ein solches Teil zu verbauen – denn der Ausfall ist nur eine Frage der Zeit.

Quelle: AMZ

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert